Stadt- Land- Kunst
Am 31.03.2025 war ursprünglich der zweite Teil des Cyanotypie-Workshops geplant. Doch durch das regnerische Wetter und dem damit verbundenen Mangel an Sonnenlicht – der nötigen UV-Quelle für den Blaudruck – musste das Programm spontan umgestaltet werden. Die Kinder nahmen die Änderung mit Gelassenheit an. Zur Einstimmung begannen wir mit einer spielerischen Zeichenübung: dem „Cadavre Exquis“, auf Deutsch oft als „Überraschungszeichnung“ oder „Faltbild“ bekannt. Die Methode stammt aus dem Surrealismus, etwa ab den 1920er Jahren, dabei falteten zwei Kinder gemeinsam ein Blatt. Die erste Person zeichnete z. B. einen Kopf, klappte das Blatt um, sodass der Kopf verdeckt war und die zweite Person zeichnete – ohne das Vorherige zu sehen – den Körper weiter. So entstanden fantasievolle Hybridwesen, die teils überraschend, teils komisch, aber immer kreativ waren. Diese Übung war zugleich der Übergang zu einer kleinen theoretischen Auseinandersetzung mit dem Thema Fabelwesen und Mischwesen in verschiedenen Kulturen. Gemeinsam betrachteten wir Beispiele:
• Ganesh (indische Mythologie) – Die Geschichte von Ganesh und seinem Elefantenkopf
Ganesh, dem Sohn der Göttin Parvati, wurde der Kopf abgeschlagen und um ihren Sohn sofort wieder lebendig zu machen, bekam Ganesh den Kopf des ersten lebenden Wesens, dem Parvati begegnete.
• Aus Europa kennen wir Engel, Einhorn, Harpien und aus der griechischen Mythologie Pegasus, Pan und Kentauren.
• Die Kinder kannten die Sphinx in der ägyptischen Kultur.
• Buraq, das Pferd mit Frauenkopf, auf dem der Prophet Muhammad (s.a.w.) in den Himmel ritt, aus der islamischen Überlieferung.
Die Kinder waren sehr interessiert und nahmen viele Anregungen mit. Einige setzten sich danach zusammen, um weitere Mischwesen zu erfinden oder neue Faltbilder zu zeichnen. Parallel konnten die Kinder, die daran Freude hatten, ihre Cyanotypie-Werke aus der Vorwoche mit Farbe und Zeichnung weiterbearbeiten und „weiterdenken“. Andere Kinder entschieden sich dazu, einfach zu zeichnen, was ihnen in den Sinn kam. Der Workshop - Tag zeigte, wie durch kreative Flexibilität auch unter veränderten Bedingungen ein inspirierendes Erlebnis entstehen kann. Die Kinder begegneten der Umplanung mit Offenheit und hatten viel Freude an der Zeichentechnik “Cadavre Exquis”, die Zusammenarbeit und Überraschungsmomente vereint. Die entspannte und fröhliche Atmosphäre war geprägt von Austausch und künstlerischem Ausdruck – ganz im Sinne eines offenen, kindzentrierten Workshops.
Sophie Ernst
Bild zur Meldung: Stadt- Land- Kunst